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Emotionen verstehen und regulieren: Wut

Aktualisiert: 29. Mai


wütende Bisons die miteinander kämpfen

Emotionsworte


Wut, Zorn, Entrüstung, Empörung, Erregung, Rage, Aufgebrachtheit, Erbitterung, Ärger, Unmut, Missmut, Missfallen, Verstimmung, Verärgerung, schlechte Laune, Gereiztheit



Grundlagen

Wut entsteht immer dann, wenn wir uns, unsere Werte oder andere wichtige Personen bedroht fühlen. Wut ist eine unserer Grundemotionen. Zu diesen Grundemotionen gehören auch noch Freude, Trauer, Ekel, Überraschung und Angst. Das Wort "Grund"emotionen sagt schon viel darüber aus, wie wichtig dieses Gefühl für unsere evolutionäre Entwicklung war. Bei Wut aktiviert unser Körper das Verteidigungssystem. Wir sind dann bereit, uns und andere zu beschützen, sowohl verbal als auch physisch. Wut und Ärger sind also gute Kumpanen, wenn es darum geht, nach außen Grenzen zu setzen. Sich gegen Andere zu verteidigen und sich zu wehren, wenn Ungerechtigkeiten geschehen; das ist die Aufgabe der Wut.


In unserer heutigen Gesellschafts ist es allerdings durchaus angebracht, den Wutimpulsen nicht sofort und nicht in der höchsten vorhandenen Intensität Ausdruck zu verleihen.


So spielt auch immer wieder in meinen Beratungssitzungen das Thema Wut und Wutregulation eine entscheidende Rolle. Klient*innen berichten davon, zu wütend zu sein, ihre Wut nicht richtig kontrollieren zu können oder sie einfach "weg haben" zu wollen. Jedoch scheint gerade der letztere Wunsch, kein langfritsiger guter zu sein. Denn wenn wir Ärger und Wut ständig runterschlucken und versuchen sie zu unterdrücken, sammelt sich diese negative Energie tief in unserem Inneren an und kann von dort aus sogar schädlich werden. Im psychosomatischen Verständnis können Symptome wie Magenschmerzen und Verdauungsprobleme auch Zeichen für Wut und Ärger sein, der nicht an entsprechenden Stelle kommuniziert werden konnte, sondern wortwörtlich "runtergeschluckt" werden musste.


Warum hat die Wut so einen schlechten Ruf?


wütendes Kind auf Spielplatz

Früher kam es häufig vor, dass wütende Kinder als "nicht lieb" und "nicht brav" bezeichnet wurden und streng darauf geachtet wurde, die Wut nicht in der Öffentlichkeit auszuleben. Sätze wie "Du gehst jetzt erstmal in dein Zimmer, bis du dich beruhigt hast!" führten dazu, dass Kinder mit der Wut allein gelassen wurden. Sie mussten sich dann selbst Strategien überlegen, wie sie mit ihrer Wut allein zurecht kommen können. Denn vom ins Zimmer gehen, ist die Wut häufig nicht kleiner geworden. Solch eine Situation, in der Kinder mit der Wut allein gelassen wurden, stellt eine große Überforderung für das kindliche Regulationssystem dar. Das Kind sucht sich dann kurzfristig hilfreiche Strategien gegen die Wut, z. B. ablenken, wegschieben oder runterschlucken. Dies gelingt irgendwann so gut, dass man selbst als Erwachsene manchmal gar nicht mehr spürt, wenn man wütend ist.


Wie bereits oben beschrieben, erfüllen Wut und Ärger eine Funktion in unserem Leben. Sie wollen uns auf Ungerechtigkeiten und Bedrohungen aufmerksam machen. Es ist also durchaus wichtig und sinnvoll in Verbindung mit seiner Wut zu stehen und gleichzeitig einige Strategien parat zu haben, wie man im ersten Moment der aufsteigenden Rage so reagiert, dass es keine Verletzten gibt (physisch als auch psychisch).

 

Emotionsregulation - Was kann ich gegen Wut tun?


Auch wenn die Wut ein gutes Mittel ist, um seine Grenzen nach außen zu setzen, kommt es vor, dass die Art und Weise wie man seine Grenzen in Phasen von starker Wut setzt, langfristig zu Problemen mit Familie, Freunden oder Kollegen führen kann. Daher ist es wichtig, Wut adäquat regulieren zu können. Hierbei ist zu wichtig zu erwähnen, dass Kinder, die mit Wut umgehen müssen, dies aufgrund ihrer Regulationsfähigkeiten noch nicht können und daher unbedingt Unterstützung brauchen. Als Erwachsener ist es jedoch sehr gut möglich, gewisse Strategien anzuwenden um die Wut zu verkleinern, zu vertagen oder gezielt abzubauen.


Tipps gegen Wut


Frau die entspannt einatmet

1. Tief durchatmen


Die Konzentration auf den Atem kann ein Hilfsmittel sein, sich in Phasen der Wut zu beruhigen. Wenn man sich auf den Atem fokussiert, haben Gedanken die zu mehr Wut führen, weniger Raum im Kopf. Das kann dabei helfen, sich "runterzufahren".



Straße im Wald mit Blättern bedeckt

2. Raum verlassen


Den Raum (mit Ankündigung) zu verlassen um sich zu beruhigen ist eine gute Strategie, um Schaden abzuwenden der durch in Rage geäußerte Worte passieren kann. Am besten eignet sich ein Spaziergang an der frischen Luft. Gehen Sie bewusst langsam und fokussieren Sie sich auf Ihre Umgebung.


schwarze Kopfhörer

3. Die Sinne benutzen


Unsere Sinne können uns dabei helfen, den Fokus vom intensiven Gefühl der Wut abzulenken. Tasten: einen Stressball kneten und quetschen und damit einen sensorischen Reiz zu erzeugen, kann beruhigend wirken. Riechen: entweder können beruhigende Aromen wie Vanille genutzt werden oder aber auch sehr beißende Gerüche wie Pfefferminz oder Essig, um eine sensorische Gegenreaktion zu erzeugen. Hören: Musik hilft ebenfalls um uns von der Wut auf andere Gedanken zu bringen. Manche Menschen finden es hilfreich besonders laut Musik zu hören, damit man sprichwörtlich den eigenen Gedanken nicht mehr zuhören muss.


Rennbahn im Stadion

4. Rückwärts zählen


Je nach Situation kann man entscheiden ob man von 10 oder doch gleich lieber von 100 rückwärts zählen möchte. Bei dieser kognitiven Ablenkungsstrategie geht es im Grund darum, das Gehirn von Gedanken abzulenken, die Sie noch mehr in die Wut hineinbringen würden. Durch den Fokus auf das Zählen haben weniger andere Gedanken die Möglichkeit die Wut-auslösende Situation noch mehr hochkochen zu lassen.


5. Abreagieren ohne Schaden zu erzeugen


Wut setzt Energie in uns frei. Viele finden es angenehm, diese Energie auch wirklich loswerden zu können. Wut losewerden kann beispielsweise funktionieren mit schreien (draußen im Wald oder in einen Kleiderschrank oder ein Kissen hinein), rumstampfen, Boxen (gegen Boxsack, Kissen, Sofa etc.), Hampelmänner machen, schnell auf der Stelle rennen, sich schütteln und hüpfen, etc. Diese Strategien können sowohl Kindern beim ersten Kontakt mit der eigenen Wut helfen, aber dienen eben auch Erwachsenen als hilfreiche Druckablasser in fällen von großer Wut, die in uns brodelt.


Was hilft langfristig gegen Wut?


Wenn die initiale Wutreaktion reguliert werden konnte, lohnt es sich noch einmal genauer hinzusehen, was die Ursache der Wut in der jeweiligen Situation gewesen ist. Dabei ist die Ursache nicht zu verwechseln, mit dem Auslöser (z. B. "Der Andere hat sich egoistisch verhalten."). Die Ursache liegt immer in uns selbst. Andere Menschen können lediglich Auslöser oder Anstoßunkte für unsere Gefühlsreaktion sein. Sie sind allerdings nicht für unsere Gefühle verantwortlich. Auch bei der Wut liegt die Ursache der Emotion in unseren Bewertungen (Gedanken) sowie unseren unerfüllten Bedürfnissen. Im Sinne der Gewaltfreien Kommunikation beinhalten unsere Bewertungen, die zu Wut führen, immer negative Urteile über andere Menschen. Wut und Ärger entstehen, wenn wir uns auf die Mangelhaftigkeit von anderen Menschen fokussieren und deren Fehlverhalten in den Mittelpunkt unserer Gedanken rücken. Anstatt uns mit unseren Bedürfnissen zu verbinden, die die eigentliche Ursache unserer Gefühle sind, richten wir die Aufmerksamkeit auf Bewertungen unseres Gegenübers.


Wenn Sie Wut spüren und diese im Sinne der Gewaltfreien Kommunikation bearbeiten möchten, dann folgen Sie diesen 3 Schritten:


  1. Was ist der Auslöser für meine Wut? Was ist jetzt gerade passiert, wovon habe ich jetzt gerade erfahren, dass mich im ersten Moment wütend gemacht hat?

  2. Welche verurteilenden Bilder und Bewertungen spielen sich in meinem Kopf bezüglich der anderen Person oder Situation ab, die zum Gefühl Wut passen?

  3. Welches Bedürfnis steckt eigentlich wirklich hinter diesen Bewertungen und Bildern?

Diese drei Punkte finden zunächst ohne verbale Äußerungen statt. Wir sprechen in der Gewaltfreien Kommunikation von Selbsteinfühlung. Im folgenden Schritt geht es dann darum, die Erkenntnisse über uns selbst aus der Selbsteinfühlung in einer empathischen Weise meinem Gesprächspartner mitzuteilen. Zu dieser Technik existiert bereits ein Blogartikel.


Beispiel:

  1. Mein Kind hat sein Zimmer nicht aufgeräumt, obwohl wir schon mehrfach darüber gesprochen haben.

  2. Ich nehme Bewertungen vor, dass mein Kind faul sei, in seinem Leben niemals lernen wird Ordnung zu halten, ich selbst immer alles für andere aufräumen muss, von mir wird erwartet, immer die Putzfrau zu spielen etc.

  3. Bedürfnisse die dahinter stecken könnten sind: Gesehen werden, Wertschätzung, Sicherheit für mein Kind im späteren Leben

 

Wut und Traurigkeit


Es kann auch vorkommen, dass sich hinter unserer Wut auch eine andere Emotion versteckt, die quasi von der Wut beschützt wird.


Ich habe eine Geschichte gefunden, die ich immer gern mit meinen Klienten teile, wenn wir uns dem bessern Verständnis von Wut zuwenden. Sie wurde vom Autor Jorge Bucay verfasst und geht wie folgt:


Die Wut und die Traurigkeit

spiegelklarer See mit Bergen im Hintergrund


In einem zauberhaften Königreich, [...] gab es mal einen wundersamen See. Es war eine Lagune mit kristallklarem Wasser, darin schwammen Fische in allen nur denkbaren Farben und sämtlichen Schattierungen von Grün spiegelten sich darin.


Zu diesem magischen kristallklarem See kamen eines Tages [...] die Trauer und die Wut, um ein Bad zu nehmen. Die beiden legten ihre Kleider ab und stiegen nackt in den See.


Die Wut, die es immer eilig hatte und gehetzt war, ohne zu wissen warum, tauchte schnell unter und stieg dann noch schneller wieder aus dem Wasser… Aber die Wut ist blind, oder zumindest nimmt sie die Realität nicht richtig wahr und so zog sie sich, als sie nackt und gehetzt aus dem Wasser kam, die erstbesten Kleider an, die sie fand… Und es geschah, dass es nicht ihre Kleider waren, sondern diejenigen der Traurigkeit. Und die Wut ging als Traurigkeit verkleidet davon.


Ganz ruhig und gelassen, wie immer gerne bereit an einem Ort zu verweilen, beendete die Traurigkeit ihr Bad und entstieg langsam und ohne jede Hast (oder vielmehr ohne jedes Zeitgefühl) dem See. Am Ufer stellte sie fest, dass ihre Kleider verschwunden waren. Wie wir alle wissen mag es die Traurigkeit nicht, nackt und bloß dazustehen. Und so zog sie sich die Kleider an, die noch am See lagen: Die Kleider der Wut.


Seit damals, so heißt es, begegnet man immer wieder der grausamen, blind um sich schlagenden Wut. Doch wenn wir uns die Zeit nehmen und genau hinschauen, erkennen wir, dass die Wut, die wir sehen nur eine Verkleidung ist, eine Maske. Und das sich hinter der Maske der Wut in Wirklichkeit immer die Traurigkeit verbirgt."

 

Beim genaueren Hinsehen, stellen vielleicht auch wir fest, dass sich hinter der rasenden Wut, viele Verletzungen verbergen, die uns sehr traurig machen. Diese Traurigkeit zu zeigen, würde jedoch bedeuten, sich verletzlich zu zeigen. Das kann schwer auszuhalten sein. Manchmal ist dieses Aushalten mit so viel Angst und Scham verbunden, dass es leichter fällt, nach außen hin stark und wütend zu sein. Solange wir diesen Verletzungen und der Traurigkeit nicht auf die Spur kommen, wird auch unsere Wut nicht kleiner werden, denn sie verteidigt uns bereits das ganze Leben lang.


Wir wollen also versuchen die Wut nicht als lästigen Störenfried zu sehen, die man mal am Boxsack richtig rauslassen muss. Ziel ist es, genau hinzuschauen, was die Wut uns mitteilen will und dann entsprechend dieses Bedürfnisses zu handeln.


Angebot


Haben Sie das Gefühl mit ihrer Wut nicht allein klarzukommen? Fällt es Ihnen schwer Ihre Wut zu erkennen, zuzulasen oder adäquat zu äußern? Dann könnte eine psychologische Onlineberatung für Sie eine Unterstützung darstellen. Vereinbaren Sie gern ein kostenloses Kennenlerngespräch um gemeinsam zu schauen, ob ich Ihnen bei Ihrem Thema zur Seite stehen kann.





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